Anklage und Verteidigung. Der Prozeß gegen die Nelkenrevolution, Otelo Saraiva de Carvahlo

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"Anklage und Verteidigung. Der Prozeß gegen die Nelkenrevolution, Otelo Saraiva de Carvahlo"

Carvahlo, portugiesischer Offizier, der als wichtiger Stratege der Nelkenrevolution gilt,  dokumentiert hier die gegen ihn geführte Anklage und seine Verteidigung. Einleitend gibt er einen Überblick über die Ereignisse und Entwicklungen der „Nelkenrevolution“ von 1975, an der er wesentlich beteiligt war, und zeigt auf, wann und von wem ihre Errungenschaften wieder zerstört wurden. Am 20. Mai 1987 wurde Carvahlo nach dreijähriger Untersuchungshaft von einem Lissaboner Gericht zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Er wurde in einem Prozess, der die primitivsten Regeln rechtsstaatlichen Verfahrens außer Kraft setzte, als Umstürzler abgeurteilt.

 

 

zu Otelo Saraiva de Carvalho

 

Schon seit den ersten Monaten dieses Jahres hatten MFA-Offiziere dafür plädiert, der Streitkräftebewegung eine zivile Massenbasis zu schaffen, aber sie waren in der Minderheit geblieben. Der plötzliche Entscheid der MFA-Vollversammlung für das Rätesystem ist ein Triumph für jenen Mann, der am lautesten gefordert hatte, "den Parteispitzen ihre Basis abspenstig zu machen" und sie der MFA zuzuführen: Generalmajor Otelo Saraiva de Carvalho, 38.

Der Chef der Sicherheits- und Ordnungstruppe Copcon und Militärgouverneur des Distrikts Lissabon erweist sich nun mehr denn zuvor als Schlüsselfigur unter den Militärs und einer der mächtigsten Männer Portugals. Die Gunst des Publikums erwarb Otelo, wie er im Volk genannt wird, schon, als er -damals Major an der Kriegsakademie -- den Putsch gegen das Caetano-Regime koordinierte.

Zwar bespöttelten seine Gegner den in Moçambique geborenen Enkel eines bekannten portugiesischen Schauspielers zuweilen wegen seiner Publicityfreudigkeit. Aber spätestens nahmen sie ihn, mitunter sogar als potentiellen Diktator, ernst, seit der Mann mit dem Prätorianerprofil den Befehl über das vor einem Jahr gegründete Copcon (Comando Operacional do Continente) übernahm: die wohl schlagkräftigste Truppe in Portugal.

Sie besteht aus 5000 Mann, vor allem Fallschirmjägern, die aus Einheiten im ganzen Land zusammengezogen wurden, ist ausgerüstet mit Tanks. Panzerwagen, Hubschraubern sowie schweren Waffen und verfügt über einen eigenen Geheimdienst. Mit dieser Streitmacht im Rücken wurde der zum -- jüngsten -- Brigadegeneral beförderte Carvalho Hauptkontrahent des General-Präsidenten António de Spínola, unter dem er während des Kolonialkriegs in Guinea-Bissau gedient hatte. Noch zur Zeit des Spínola-Sturzes im vergangenen September bezeichnete sich Carvalho als "sozialliberalen Demokraten" und versprach, das Militär würde in die Kasernen zurückkehren, sobald ein Parlament gewählt sei.

Doch je mehr die MFA sich radikalisierte, desto weiter marschierte der ehrgeizige Brigadier auf den äußersten linken Flügel. Seine besondere Sympathie -- und angeblich auch die mancher seiner Copcon-Offiziere -- gilt heute der ultralinken Revolutionären Partei des Proletariats -- Revolutionäre Brigaden (PRP-BR), einer Partei, die von Parteien und Wahlen gar nichts hält. Carvalho verlangte unverblümt, man müsse "das sterile Parteienspiel" beenden, eine "Diktatur des Proletariats" errichten, Arbeiter-, Soldaten- und Matrosen-Räte schaffen und bewaffnete Milizen aufstellen.

Über ein entsprechendes Projekt debattierte die MFA-Vollversammlung erstmals Ende Mai, lehnte es aber ab. Und noch Mitte Juni erteilte der Revolutionsrat nach einem sechs Tage und sechs Nächte dauernden Konklave seinen Ultralinken um Carvalho eine Abfuhr: Er lehnte "die Einführung des Sozialismus auf dem Weg der Gewalt und der Diktatur ab".

"Otelo mag dieses Mal keinen Erfolg im Revolutionsrat haben", kommentierte gleichmütig Carvalho-Freund Manuel Crespo, ein ehemaliger Schweißer der Lisnave-Werft und jetziger Führer der PRP-BR, "aber die Stärke liegt letztlich in den Waffen, und er hat die Waffen" Im Bewußtsein dieser Stärke forderte der General seither die Führung der MFA offen heraus; mit dem Copcon, "der Faust der Revolution", machte er eigene Politik.

Als der Revolutionsrat anordnete, der seit dem 20. Mai ausgesperrten Redaktion der sozialistischen Abendzeitung "República" den Zutritt zum Verlagsgebäude zu verschaffen, ließ Garvalhos Copcon-Truppe zwar die kommunistisch bis linksradikal orientierten Drucker und Setzer durch die Hintertür ein, nicht aber die Redaktion. Und als Premierminister Vasco Gonçalves kürzlich anordnete, der von linken Angestellten besetzte katholische Sender Rádio Renascença" sollte der Kirche zurückgegeben werden, weigerte sich der Copcon-Chef. die Besatzer zu entfernen. Der Revolutionsrat desavouierte den Premier und ordnete die Verstaatlichung des Senders an.

Der Machtkampf um die politische Zukunft Portugals brach offen aus -- nicht mehr allein unter den Parteien oder zwischen Parteien und Militärs, sondern vor allem innerhalb der MFA. Premier-General Gonçalves sah sich einem Zweifrontenangriff gegenüber: Auf der einen Seite warfen ihm die Gemäßigten im Revolutionsrat um Außenminister Melo Antunes seine KP-nahe Position vor, auf der anderen Seite beschossen ihn die parteifeindlichen Ultralinken, die er als "die wahre Gefahr für die portugiesische Revolution" beschimpfte.

Seit dem vorletzten Freitag wucherten in Lissabon Gerüchte über einen bevorstehenden Sturz des Premiers. Tatsächlich sollen die Gemäßigten an diesem Tag und am Wochenende mit anderen Revolutionsratskollegen, darunter Carvalho, die Möglichkeit besprochen haben, Gonçalves abzusetzen. Alarmiert, rief die KP ihre Mitglieder sofort zu "höchster Wachsamkeit" und zur Verteidigung des Premiers auf.

Gonçalves, der sich noch vor kurzem gegen Räte ausgesprochen hatte, überrumpelte das MFA-Plenum mit einer überraschenden Vorwärtsverteidigung: Er forderte es auf, das Räteprojekt schon auf dieser Sitzung vorzeitig zu beschließen. Zwar ist der schließlich verabschiedete Plan weniger radikal als das ursprünglich von Carvalho geforderte System -- er sieht keine bewaffneten Milizen vor -, doch der Copcon-Chef akzeptierte. Die Gemäßigten hatten abermals eine Niederlage erlitten, vielleicht die entscheidende. Gonçalves war -- wenn er je gefährdet war -- gerettet. Portugals KP begrüßte das Projekt "als höchst positiv für den revolutionären Prozeß", und die KP-gelenkte Tageszeitung "Diário de Lisboa" bejubelte diese "revolutionärste Maßnahme seit dem 25. April 1974".

Seit einiger Zeit bereitet die Partei Alvaro Gunhals sich schon darauf vor. auch in einem Rätesystem präsent zu bleiben. So haben KP-Gewerkschaften in Betrieben bereits eigene Arbeiter"Komitees zur Verteidigung der Revolution" gegründet, und ein Teil bereits vorhandener Nachbarschafts-Komitees ist von der MDP organisiert worden, die eng mit der KP verbunden ist.

Portugals Sozialisten sahen, noch bevor sie ihren Austritt aus der Regierung erklärten, in dem Räte-Projekt nichts anderes als den Versuch, "in Portugal ein diktatorisches und bürokratisches Regime zu errichten, ähnlich denen in Osteuropa".

DER SPIEGEL 29/1975

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